«Skincare hat sich zu einem richtigen Boom entwickelt»
Dr. Inja Allemann ist die einzige Doppelfachärztin FMH der Schweiz für Plastische Chirurgie und Dermatologie sowie Expertin der Lasermedizin. Wir haben mit ihr über das Thema Skincare gesprochen.

Foto: Symbolbild / Cottonbro
Inja Allemann, wie hat sich Hautpflege in den vergangenen Jahren verändert?
INJA ALLEMANN: Hautpflege war früher viel weniger wissenschaftlich und differenziert. Der Markt ist zu einem Multi-Milliarden-Markt angewachsen und sehr marketinggetrieben. Früher gab es nur ein paar grosse Player, heute wird die Branche vor allem von Nischenprodukten, die von Dermatologen entwickelt wurden, beherrscht. Ausserdem stehen heute einzelne Ingredienzien im Mittelpunkt. Dieser Fokus auf Inhaltsstoffe hängt auch immer vom jeweiligen aktuellen Trend ab. In den letzten Jahren waren das vor allem: «clean», «vegan» und «nachhaltig».
Hat sich das Bewusstsein der Patientinnen und Patienten verändert?
IA: Definitiv. Die Menschen sind viel informierter. Skincare hat sich zu einem richtigen Boom entwickelt. Gerade die Jungen legen grossen Wert darauf. Die Verantwortung dafür tragen sicher auch die Social Media, in denen sich immer mehr Beauty- und Skincare-Influencer präsentieren und das Thema eine starke Relevanz erhält. Das war vor 10 Jahren ganz anders und zur Zeit unserer Mütter inexistent.
Man hört immer wieder «Die Haut ist der Spiegel der Seele». Welchen Einfluss hat unsere mentale Gesundheit auf die Haut?
IA: Wenn wir gestresst sind, schüttet unser Körper Cortisol aus, das Entzündungsprozesse auslösen kann. So fördern Stress und negative Gefühle Akne, Rötungen und Ekzeme, Unreinheiten werden also verschlimmert.
Das heisst Entspannung hat einen direkten positiven Einfluss auf die Beschaffenheit der Haut?
IA: Ob das wissenschaftlich basiert bewiesen ist, weiss ich nicht, doch ich gehe davon aus. Denn dass Stress Entzündungen fördern kann, wissen wir. So erscheint die Folgerung «Entspannung und Ausgeglichenheit gleich positiver Einfluss auf die Haut» logisch.
Wie haben sich Ihre Behandlungsmethoden in den vergangenen Jahren verändert?
IA: Wir arbeiten mit Technologien wie Laser- und Lichttherapien. Ausserdem kommen heute mehr Kosmetik- und weniger schulmedizinische Produkte zum Einsatz. Das entspricht auch dem Patientenbedürfnis, denn niemand möchte lebenslang Medikamente nehmen. Die Wahl der Behandlung hängt aber in erster Linie von dem Schweregrad der Problematik zusammen. Wenn eine Patientin beispielsweise mit einer schweren Akne zu mir kommt, dann werde ich erst einmal zur Schulmedizin greifen und versuchen, nach einer Stabilisation der Haut, rasch auf ein weniger hochdosiertes Kosmetikprodukt zu wechseln.
Immer wieder wird diskutiert, ob empfindliche Haut ein Hauttyp oder ein Hautzustand ist. Was sagen Sie dazu?
IA: Dass es ganz darauf ankommt, wen Sie fragen und wie man empfindliche Haut definiert. In Dermatologie-Büchern lesen Sie nichts von empfindlicher Haut. Hier grenzen wir Hauttypen beispielsweise nach Hautfarben ab. Ausserdem gibt es die Einteilung in «ölig», «trocken» und «normal». Ich tendiere dazu, sensitive Haut als Zustand zu definieren.
Lohnt sich eine Hautanalyse, um die richtige Pflege passend zum eigenen Hauttyp zu finden?
IA: Dazu würde ich unbedingt raten. Die meisten Menschen haben keine Ahnung von der Beschaffenheit ihrer Haut. Also wissen sie auch nicht, ob sie besser ein Tonic, ein Serum, eine Creme oder etwas anderes verwenden sollten, ebenso wenig auf welche Ingredienzen sie achten sollten. Dabei ist dieses Wissen elementar, um der Haut das zu geben, was sie braucht und nicht unnötig Geld auszugeben. Unsere Haut verändert sich saisonal und hormonal. Deshalb sind sogar regelmässige Analysen wichtig. Dabei sollte man aber darauf achten, dass man einen Experten konsultiert. Nicht jeder Dermatologe hat das nötige Know-how, um eine solche Analyse durchzuführen.
Sie haben das Thema Ingredienzen bereits mehrmals angesprochen. Was halten Sie von Inhaltsstoffen CBD oder CBG in Kosmetik?
IA: Ich habe selbst keine Erfahrung damit, weil ich solche Produkte noch nie verschrieben und sie auch nicht für mich selbst benutzt habe. Sicherlich ist ein grosser Hype um die Cannabispflanze entstanden – herübergeschwappt aus den USA. Dort findet man die Inhaltsstoffe in vielen Produkten. Wir benötigen sicherlich mehr Studien, um eine verlässliche Wirksamkeit wissenschaftlich aufzeigen zu können. CBD scheint aber nach meinem Wissenstand tatsächlich einen antiinflammatorischen (entzündungshemmenden) Effekt zu haben. Das kann sich positiv auf Ekzeme und empfindliche Haut auswirken.
Foto: zVg
Dr. Inja Allemann ist Gründerin und Mitinhaberin von Rivr, einem medizinischen Campus für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Handchirurgie, Dermatologie und Lasermedizin in Zürich. Davor hat sie 20 Jahre lang in Schweizer Spitälern gearbeitet. Die Ärztin ist Mutter einer Tochter im Primarschulalter und erwartet in Kürze ihr zweites Kind. – www.rivr.ch